Große Protestaktion gegen Apothekenreform
Große Protestaktion gegen Apothekenreform

Hessen - Am Donnerstag haben Hunderte Apothekerinnen und Apotheker in Frankfurt auf dem Opernplatz lautstark gegen die geplanten Reformen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) protestiert. Mit Trillerpfeifen, Tröten und Transparenten brachten sie ihre Sorge um die Zukunft ihres Berufsstandes und die Qualität der Patientenversorgung zum Ausdruck. Die Apotheker fordern ein Umdenken in der Politik, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung nicht zu gefährden.

Die geplanten Reformen: Mehr Flexibilität und digitale Lösungen

Die geplante Apothekenreform des Bundesgesundheitsministeriums sieht erhebliche Veränderungen für Apotheken vor. Zentraler Bestandteil ist die Einführung flexiblerer Vorgaben für Zweigstellen, Öffnungszeiten und die Anwesenheit von Apothekern. Besonders umstritten ist die „Telepharmazie“, die Beratungsgespräche über Videoverbindungen ermöglichen soll. Apotheken könnten somit öffnen, auch wenn der Apotheker nicht vor Ort ist, sondern in einer anderen Filiale arbeitet. Mindestens acht Stunden pro Woche muss jedoch die Apothekenleitung persönlich anwesend sein. Andernfalls können erfahrene pharmazeutisch-technische Assistenten die Apothekenführung unterstützen.

Wut und Besorgnis bei den Apothekern

Die Reformpläne sorgen für massive Unzufriedenheit unter den Apothekern. „Man spart uns im Moment komplett weg“, äußerte eine Apothekerin aus Darmstadt am Rande der Proteste. Die Apotheker betonen, dass sie während der Pandemie an vorderster Front standen und ihre Kunden betreuten, und nun als Dank dafür „abgeschafft“ werden sollen. Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), spricht von einem „Generalangriff auf unseren gesamten Berufsstand“. Seyfarth kritisiert, dass Lauterbach weder die Arzneimittelsicherheit noch die wohnortnahe Versorgung der Menschen in den Fokus rücke.

Breite Unterstützung von Landespolitikern

Landespolitiker verschiedener Parteien, darunter die CDU-Fraktionsvorsitzende Ines Claus, die Grünen-Landesvorsitzende Kathrin Anders und der FDP-Gesundheitspolitiker Yanki Pürsün, schlossen sich den Protesten an und zeigten Verständnis für die Sorgen der Apotheker. Ines Claus erklärte: „Die inhabergeführte Apotheke darf nicht zerschlagen werden.“ Sie hob die Rolle der Apotheken als Garanten für eine niederschwellige und hochwertige Beratung hervor. Auch Hessens Gesundheitsministerin Diana Stolz (CDU) kritisierte die Pläne und betonte, dass Apotheker eine entscheidende Kontrollinstanz zwischen ärztlicher Verschreibung und Patient darstellen.

Auswirkungen der Proteste: Zwei Tage geschlossene Apotheken

Als Zeichen des Protests bleiben nahezu alle Apotheken in Hessen am Donnerstag und Freitag geschlossen. Die Arzneimittelversorgung wird in dieser Zeit durch Notdienste sichergestellt. Der Hessische Apothekerverband rechnet mit einer Beteiligung von über 90 Prozent der Apotheken an der Aktion. Patienten wurden aufgerufen, ihre dringend benötigten Rezepte bis Mittwoch einzulösen.

Die Kritikpunkte im Detail

  1. Gefährdung der wohnortnahen Versorgung: Apotheker befürchten, dass die Lockerung der Anwesenheitspflicht von Apothekern zu einem Qualitätsverlust bei der Beratung führen könnte. Besonders in ländlichen Gebieten könnte dies die Versorgungssicherheit gefährden.
  2. Abwertung der pharmazeutischen Kompetenz: Die geplante Ausweitung der Telepharmazie und die Reduktion der physischen Präsenz von Apothekern wird als Abwertung ihres Berufsstands gesehen. Apotheker sorgen sich, dass ihre Rolle als letzte Kontrollinstanz zwischen ärztlicher Verschreibung und Patienten geschwächt wird.
  3. Unsicherheit über langfristige Auswirkungen: Kritiker warnen davor, dass die Reformen langfristig zu einer Reduzierung der Apotheken vor Ort führen könnten. Dadurch könnten die flächendeckende Versorgung und die persönliche Beratung leiden.

Apotheker fordern Umdenken in der Politik

Die Proteste in Frankfurt zeigen die tiefe Besorgnis der Apotheker über die geplanten Reformen. Sie fordern eine Politik, die ihre Rolle als unverzichtbare Dienstleister in der Gesundheitsversorgung anerkennt und stärkt. Die geplanten Veränderungen werfen Fragen zur Zukunft der Apothekenlandschaft in Deutschland auf und mahnen zu einer sorgfältigen Abwägung der Interessen von Patienten, Apothekern und politischen Entscheidungsträgern.

„Wir brauchen eine Reform, die die Qualität und Verlässlichkeit unserer Apotheken sicherstellt und nicht aufs Spiel setzt“, so ein Teilnehmer der Proteste. Die Forderung der Apotheker ist klar: Der Gesetzgeber muss sicherstellen, dass die Reformpläne die wohnortnahe Arzneimittelversorgung und die pharmazeutische Kompetenz nicht gefährden, sondern stärken.

Die Diskussion um die Apothekenreform wird auch in den kommenden Wochen weitergehen, und die Proteste in Frankfurt könnten nur der Auftakt zu weiteren Aktionen in ganz Deutschland sein. Ob und inwieweit die Bedenken der Apotheker in die endgültige Fassung des Gesetzes einfließen werden, bleibt abzuwarten. Die Beteiligung und der lautstarke Protest der Apotheker lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie entschlossen sind, für die Zukunft ihres Berufsstandes zu kämpfen.


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