Dietzenbach - Ein weiteres Gedenken an jüdisches Leben und Schicksal ist in der Kreisstadt Dietzenbach hinzugekommen: So wurde am 1. August 2023 im Baugebiet 105 an der Nordweststraße der Hermann-Wolf-Weg eingeweiht. Er erinnert an den letzten jüdischen Gemeindevorsteher in Dietzenbach – Hermann Wolf, der mit seiner Familie durch Nationalsozialisten aus der Stadt vertrieben wurde.
Zur feierlichen Enthüllung des neuen Straßenschildes waren einige Nachfahren der Familie Wolf, die heute in den USA leben, nach fast 80 Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg extra in die Kreisstadt gereist. Initiiert wurde die Zusammenkunft über den Dietzenbacher Horst Schäfer, dem es gelungen war, mit den Nachfahren von Hermann Wolf Kontakt aufzunehmen. So konnten nicht alle, aber rund 20 Familienmitglieder aus den USA nach Dietzenbach kommen, um bei der Einweihung des Hermann-Wolf-Wegs dabei zu sein. Zuvor erfolgte ein Besuch des ehemaligen Elternhauses in der Bahnhofstraße 71, den Horst Schäfer ebenfalls vermittelt hatte.
Erinnerung an jüdisches Leben
„Es ist wichtig, dass wir Erinnerungen und Gedenken an frühere Zeiten und Schicksale auch in unserer Stadt bewahren – gerade dann, wenn diese Menschen einmal hier gelebt haben“, sagte Bürgermeister Dr. Dieter Lang anlässlich der öffentlichen Veranstaltung. „Neben den Stolpersteinen in der Stadt, dem Buch von Horst Schäfer „…und tilg nicht unser Angedenken“ sowie dem Anne-Frank-Platz in Steinberg tragen wir nun im Westen Dietzenbachs mit dem Hermann-Wolf-Weg ebenfalls ein Andenken an das jüdische Leben weiter.“
Es sei ein ganz besonderer Moment für ihn, in Dietzenbach auf der gleichen Straße zu laufen, die Natur und den Himmel zu sehen in der Stadt, in der seine Großeltern gelebt haben, so Howard Wolf, Enkel von Hermann Wolf, während seiner Ansprache vor Ort in Dietzenbach. Wolf weiter: „Diese Widmung hier für meinen Großvater, die ich gemeinsam mit meinen eigenen Kindern und Enkeln erleben darf, wird eine Erinnerung sein, die ich niemals vergessen werde. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten und der Stadt Dietzenbach, dass das Andenken an Hermann Wolf hier bewahrt wird."
Gedenken in der Kreisstadt Dietzenbach: Wer war Hermann Wolf?
Hermann Wolf lebte mit seiner Frau Emma und den gemeinsamen sieben Kindern in der Bahnhofstraße 71, wo heute auf dem Bürgersteig Stolpersteine eingelassen sind. Als Soldat im Ersten Weltkrieg bekam er das Eiserne Kreuz 1. Klasse verliehen. Im zivilen Leben war er gewählter Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Dietzenbach, ein angesehener Bürger, der einen florierenden Viehhandel betrieb und zu den Wohlhabendsten im Ort gehörte. 1933 ergriffen jedoch die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland, die die Familie schröpften, schikanierten und drangsalierten, bis diese 1938 nahezu mittellos nach Frankfurt umzog und drei Jahre später mit dem Schiff in Richtung New York ausreiste. Hermann Wolf war damals schon an Typhus erkrankt und schaffte es nur bis Kuba. In Havanna wurde er im Jahr 1941 69-jährig beerdigt. Seine Familie erreichte die Vereinigten Staaten und überlebte den Krieg.