Hessen - Die polizeilich registrierten Kriminalitätswerte sind im Jahr 2022 wieder auf Vor-Corona-Niveau. Nachdem in den Jahren der Pandemie insgesamt deutlich weniger Straftaten festgestellt wurden, weist die Kriminalitätsstatik für das Jahr 2022 mit 368.579 Delikten (2021: 336.030) wieder einen leichten Anstieg etwa auf das Niveau der Jahre vor der Pandemie aus. Unter Ausklammerung der beiden Ausnahmejahre 2020 und 2021 wurde im letzten Jahr dennoch das zweitniedrigste Straftaten-Aufkommen seit 1981 registriert.
„Im Jahr 2022 sind nahezu alle Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie weggefallen. Zugleich hat der schreckliche russische Angriffskrieg gegen die Ukraine uns allen vor Augen geführt, wie schützenswert unsere Freiheit und unser friedliches Zusammenleben ist. Die hessische Polizei leistet hierfür tagtäglich einen wichtigen Beitrag. Die Pandemie-Jahre hatten die Polizei auf eine neue Art gefordert. Auch 2022 gab es noch Protestgeschehen, das von den mit der Pandemie einhergehenden Beschränkungen geprägt war. Insgesamt spiegeln die Kriminalitätswerte für 2022 aber auch das Ende der spezifischen Pandemie-Beschränkungen wider. Wenn wieder mehr Menschen zusammenkommen, steigt leider auch die Kriminalität. Dennoch unterstreicht unsere Kriminalstatistik abermals, dass wir in Hessen sehr sicher leben. Diese stabilen Sicherheitswerte haben wir in erster Linie einer gestärkten Polizei zu verdanken, die mit deutlich mehr Personal und den modernsten Ermittlungswerkzeugen professionelle Polizeiarbeit leistet. Für die Hessische Landesregierung ist die Innere Sicherheit von höchster Priorität. Daher investieren wir seit Jahren massiv in ein sicheres Hessen. Seit Februar 2023 sind bereits mehr als 15.500 Polizistinnen und Polizisten für die Sicherheit der Bürger unterwegs. In den kommenden Jahren kommen weitere hinzu, um unser Land noch sicherer zu machen. Im Vergleich zu 2014, dem Beginn des Personalaufbaus, beträgt der Personalzuwachs dann rund 18 Prozent. Im Namen der Bürgerinnen und Bürger Hessens danke ich der hessischen Polizei für die erfolgreiche Arbeit im vergangenen Jahr“, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth.
Die Kriminalitätsbelastung ist 2022 mit 5.855 Straftaten pro 100.000 Einwohner analog zu den registrierten Delikten im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2021: 5.340). Eine Entwicklung, die nach den Pandemie-Jahren bundesweit zu verzeichnen ist. Die Gefahr, in Hessen Opfer von Kriminalität zu werden, ist im Langzeitvergleich dennoch weiterhin auf einem historischen Tiefstand. Auch bei der Aufklärungsquote bleibt die hessische Polizei mit 63,7 Prozent der polizeilich bekannt gewordenen Straftaten im historischen Spitzenbereich.
Politisch motivierte Kriminalität 2022 von Protestgeschehen zu Pandemie und Krieg geprägt
Für den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) wurden für 2022 insgesamt 2.611 Straftaten registriert. Im Vergleich zum Vorjahr mit 2.814 Straftaten markiert dies einen Rückgang um 203 Fälle (-7,2 Prozent). Die Anzahl der Gewaltdelikte bewegte sich mit 174 Fällen auf dem Niveau von 2021 (162 Gewaltdelikte).
Die Sicherheitslage im Phänomenbereich der PMK -nicht zuzuordnen- wurde auch im Jahr 2022 maßgeblich durch die Corona-Pandemie und die entsprechenden Veranstaltungslagen mitgeprägt. Mit 856 gemeldeten Fällen ist – in direktem Vergleich zum Vorjahr (1.294 Fälle) – ein deutlicher Fallzahlenrückgang zu verzeichnen. Im Zusammenhang mit überwiegend nicht angemeldeten Versammlungen und „Spaziergängen“ kam es prozentual zu einem besonders hohen Anteil an Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. In diesem Zusammenhang war ein deutlich geringeres Aggressions- und Konfliktpotential als noch 2021 zu verzeichnen, infolgedessen der Anteil von Gewaltdelikten an den Straftaten im Kontext Corona auch geringer ausfällt. Nicht friedlich verlaufende Veranstaltungen blieben die Ausnahme. In der Gesamtschau zeigt sich im Jahresverlauf ein starker Rückgang der Straftaten, die einen Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufweisen, von niedrigen dreistelligen Zahlen zu Jahresbeginn bis zu niedrigen zweistelligen Zahlen zur Jahresmitte.
Im Bereich der PMK -ausländische Ideologie- ist mit 381 gemeldeten Fällen für das Jahr 2022 – im Vergleich zum Jahr 2021 (96 Fälle) – ein signifikanter Fallzahlenanstieg um 285 Straftaten (+ rund 297 Prozent) zu verzeichnen. Einen erheblichen Einfluss auf die Veranstaltungslage und Fallzahlen in 2022 für den Bereich der PMK -ausländische Ideologie- hatte der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Abgesehen von der Veranstaltungslage, die größtenteils friedlich blieb, wirkte sich der Konflikt in seinen unterschiedlichen Ausprägungen (pro-ukrainisch / pro-russisch) ebenso auf die Fallzahlen aus. Bei den begangenen Straftaten standen die Sachbeschädigungsdelikte im Vordergrund. Exemplarisch sind hier Farbschmierereien sowie Sachbeschädigungen an Fahrzeugen mit ukrainischen oder russischen Kennzeichen zu nennen sowie das damit oft einhergehende Verwenden des „Z“-Symbols, welches für die Unterstützung des russischen Angriffskrieges steht.
PMK -rechts-: Mit 1.101 gemeldeten Fällen für das Jahr 2022 bewegen sich die Fallzahlen in Hessen im direkten Vergleich zum Vorjahr (1.029 Fälle) auf einem leicht erhöhten Niveau (+7 Prozent). Die Anzahl der Gewalttaten bleibt mit 53 Fällen ebenso in etwa gleich hoch (2021: 48 Fälle). Körperverletzungsdelikte haben dabei den weitaus größten Anteil. Die Propagandadelikte waren innerhalb dieses Phänomenbereichs – wie bereits in den vergangenen Jahren – mit insgesamt 648 Fällen deliktischer Schwerpunkt. Dies entspricht einem Anteil von 58,9 Prozent an der Gesamtzahl der Fälle der PMK -rechts-.
„Die hessische Polizei hat 2022 den Druck auf die rechtsextremistische Szene weiter hochgehalten. Mit unserer BAO (Besonderen Aufbauorganisation) Hessen R hat die Landesregierung einen klaren Schwerpunkt auf die Verfolgung rechter Straftaten gelegt. Seit Gründung der BAO im Juli 2019 erfolgten mehr als 475 konzertierte polizeiliche Einsatzmaßnahmen gegen die rechte Szene in Hessen. Dabei wurden über 365 Durchsuchungen und 10.625 Sicherstellungen durchgeführt. Wir werden hier auch weiter den polizeilichen Ermittlungsdruck auf Rechtsextremisten hochhalten“, so Landespolizeipräsident Robert Schäfer.
Rund 90 Szene-Veranstaltungen wurden durch die Regionalabschnitte der BAO Hessen R polizeilich begleitet. Zudem wurden insgesamt 178 Haftbefehle gegen 164 Personen des rechten Spektrums vollstreckt. Allein im Jahr 2022 haben die hessischen Ermittler im Kampf gegen die rechtsextremistische Szene 127 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt, die zur Sicherstellung von zahlreichen Waffen und NS-Devotionalien führten.
PMK -links-: Mit 241 gemeldeten Fällen sind die Fallzahlen der PMK -links- in direktem Vergleich mit dem Vorjahr (2021: 366 Fälle) deutlich gesunken (-34,2 Prozent). Der Rückgang hängt unmittelbar mit den abgeschlossenen Rodungsarbeiten im Dannenröder Forst zusammen. Dementsprechend war das vergangene Jahr sowohl deliktisch, als auch medial vornehmlich von Aktionen der sogenannten „Letzten Generation“ geprägt. Dabei kam es in besonderem Maße zu gestiegenen Fallzahlen beim Straftatbestand der Nötigung und zu gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr.
Deutlicher Rückgang bei Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern
Die Zahl der Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Nachdem es im Jahr 2021 in diesem Deliktsbereich zu einer deutlichen Fallzunahme kam, ist die Anzahl an polizeilich registrierten Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern 2022 erstmals wieder deutlich um 58 Prozent gesunken. Während der Pandemie-Jahre waren insbesondere Amts- und Mandatsträger Straftaten wie etwa Bedrohungen ausgesetzt. 2021 wurden insgesamt 310 Fälle registriert. Im Jahr 2022 wurden noch 185 solcher Straftaten polizeilich erfasst. Gedroht wird meist mit Körperverletzung, Brandstiftung oder gar dem Tod.
„Auch, wenn wir letztes Jahr erstmals wieder weniger Straftaten zum Nachteil von Amts- und Mandatsträgern zu verzeichnen hatten, so bleibt jede einzelne Straftat eine besonders schändliche Tat, die unser gesellschaftliches Klima vergiftet und unserer Demokratie schadet. Wenn in unserem Land haupt- oder ehrenamtliche Mandatsträger bedroht werden, sind rote Linien überschritten. Die Hessische Landesregierung tritt diesen Untaten weiterhin entschlossen entgegen und bietet niedrigschwellige Melde- und umfangreiche Beratungsangebote an. Über das neue Sicherheitsportal kann jede Bürgerin und jeder Bürger einen Beitrag leisten, damit wir gemeinsam die Sicherheit in unserem Land weiter stärken können“, so Innenminister Peter Beuth.
Angriffe auf Einsatzkräfte: Leichter Rückgang, aber weiterhin auf hohem Niveau
Seit vielen Jahren steigen die Angriffe auf Einsatzkräfte kontinuierlich an. Die Zahl der Übergriffe gegen Polizistinnen und Polizisten ist im Vergleich zum Vorjahr 2021 mit 4.916 registrierten Opferzahlen erfreulicherweise um 205 Opfer auf 4.711 zurückgegangen. In 1.953 Fällen wurden Polizeibeamte Ziel tätlicher Angriffe. Die Opferzahl von Angriffen auf Rettungskräfte (2021: 138) stieg auf 151 an. Auch elf Feuerwehrleute meldeten im vergangenen Jahr Übergriffe.
„Wir alle können uns darauf verlassen, dass Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte in Notsituationen helfen. Genau aus diesem Grund dürfen und wollen wir die Entwicklung der vergangenen Jahre nicht hinnehmen. Unsere Einsatzkräfte verdienen Respekt, weil sie tagtäglich für uns alle im Einsatz sind. Wir brauchen eine neue Kultur der Wertschätzung. Jeder kann mit der Schutzschleife, von denen bereits mehr als 200.000 Stück verteilt wurden, schon heute seine Unterstützung ausdrücken. Und genau hierfür bin ich den Trägerinnen und Trägern sehr dankbar, denn jede einzelne Schutzschleife signalisiert Solidarität und Anerkennung für unsere Einsatzkräfte“, sagte Innenminister Peter Beuth.
Straßenkriminalität wieder auf Vor-Pandemie-Niveau
Einhergehend mit dem Wegfall der meisten Pandemie-Beschränkungen und dem gestiegenen Publikumsverkehr im öffentlichen Raum sind auch die Werte im Bereich der Straßenkriminalität wieder auf das Niveau vor den beiden stark von der Pandemie geprägten Jahren gestiegen. Die Straßenkriminalität verbleibt aber auch 2022 mit 64.899 Fällen auf einem im Langzeitvergleich niedrigen Niveau.
In die Kategorie Straßenkriminalität fällt eine Vielzahl von Delikten, die im öffentlichen Raum begangen werden, wie beispielsweise Fahrraddiebstahl, Diebstahl aus Fahrzeugen oder Raubdelikte. Im Langzeitvergleich ist seit dem Jahr 2000 ein Rückgang von rund 42 Prozent zu verzeichnen.
In Hessen wurden bereits im Juni 2018 die nötigen Voraussetzungen geschaffen, damit Kommunen ihrerseits Waffenverbotszonen an bestimmten Plätzen einrichten können. In der Landeshauptstadt Wiesbaden wurde daraufhin zum 1. Januar 2019 die erste Waffenverbotszone in Hessen geschaffen. Bis heute konnten 214 verbotene Waffen – davon 170 Messer – sichergestellt werden.
Nachdem 2021 der niedrigste Wert an Körperverletzungsdelikten im Vergleich zu den fünf Vorjahren gemessen wurde, stiegen die Körperverletzungsdelikte mit dem Ende der pandemiebedingten Beschränkungen 2022 wieder merklich an. 2022 wurden 35.298 Fälle (2021: 30.344) registriert. 5.010 der insgesamt 35.298 Straftaten wurden im öffentlichen Raum (Straßen, Wege, Plätze) begangen, was im Vergleich zum Vorjahr eine Zunahme von rund 850 Fällen entspricht. Die Aufklärungsquote ist in diesem Deliktsfeld mit 89,4 Prozent besonders hoch. In etwa neun von zehn Fällen werden die Täter gefasst.
„Die Sicherheit im öffentlichen Raum ist ein dauerhafter Schwerpunkt der hessischen Polizei. Wir setzen dabei auf erhöhte polizeiliche Präsenz, die wir dank der deutlichen personellen Stärkung der hessischen Polizei gewährleisten und auch weiter ausbauen. Darüber hinaus kann die von der Hessischen Landesregierung für die Kommunen ermöglichte Schaffung von Waffenverbotszonen ein probates Mittel sein. Sie sorgen in Innenstädten dafür, dass wir den Kontrolldruck im öffentlichen Raum erhöhen und insbesondere mitgeführte Messer aus dem Verkehr ziehen können, bevor damit Schlimmeres passiert. Hessen setzt sich bereits seit Jahren für ein bundesweit einheitliches Vorgehen ein, um das Mitführen von Messern – nicht nur an Kriminalitätsschwerpunkten, sondern auch an stark frequentierten Orten – einzuschränken. Dies könnte den Kontrolldruck auf potenzielle Täter weiter erhöhen“, so Landespolizeipräsident Robert Schäfer.
Videosicherheitstechnik an öffentlichen Straßen und Plätzen ist seit mehr als 20 Jahren fester Baustein der Sicherheitsarchitektur in Hessen. Hierfür investiert die Hessische Landesregierung 2023 und 2024 jeweils elf Millionen Euro. Für die Förderung von Videosicherheitstechnik im kommunalen Bereich stellt das Land erneut 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. Bis heute sind bereits in 20 Städten 30 Schutzzonen mit insgesamt 308 Kameras von Polizei- bzw. Gefahrenabwehrbehörden zur Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze in Betrieb. Im Jahr 2022 konnten die Videoaufzeichnungen aus diesen 30 Schutzzonen bei insgesamt 4.296 Straftaten (2021: 3.472) im Rahmen der Ermittlungen verwendet werden oder gar zur Klärung beitragen.