Dietzenbach - Über 6.000 Bäume zählt Dietzenbach im Stadtgebiet. Aber Baum ist nicht gleich Baum. So wie andere Lebewesen auch, haben Bäume bestimmte Lebensphhasen. In der Kreisstadt befinden sich derzeit ca. 780 in der Jugendphase, über 4.600 in der Blühphase und 610 in der Alterungsphase. Jeder von ihnen hat deshalb individuelle Pflegebedürfnisse. Zum Beispiel ist der Wasserbedarf je nach Witterungsverlauf, Bodentemperatur, Feuchtigkeit, Standort und Bepflanzung unterschiedlich hoch. Mit dem Sommer vor der Tür naht eine für Bäume besonders stressige Zeit . Denn die anhaltende Trockenheit und steigende Temperaturen der letzten "Rekordsommer" setzen den Stadtbäumen zu.
Der Abteilungsleiter der Grünflächenbewirtschaftung, Stefan Rogge, weiß um diese Herausforderungen und bereitet sich mit seinem Team jetzt schon für die Sommerzeit vor: "Über 2.000 Stadtbäume mit zwei Fahrzeugen bewässern – eine Mammutaufgabe für das Team", sagt er. "Der Klimawandel hat zur Folge, dass Wasser zum knappen Gut wird und wir daher neue Konzepte für die intelligente Nutzung und Verteilung von Wasser benötigen."
Unterirdisch ausgestattet
Ein großer Schritt in Richtung Zukunft der Bewässerung könnte das Pilotprojekt "Digitalisierte SmartCity Bewässerung" sein. Hiermit erhält jeder Baum in der Kreisstadt künftig eine auf seinen Bedarf angepasste Wassermenge. Das würde nicht nur Zeit, sondern auch Wasser sparen. "Angesichts der zunehmend heißen und trockenen Sommer ist das Thema Wasser sparen wichtiger denn je.", sagt Michael Würz, technischer Betriebsleiter der Städtischen Betriebe. "Deshalb starten wir diesen Frühling eine sechsmonatige Pilotphase. Ziel ist es, die Bewässerung bedarfsorientiert zu gestalten und digital zu steuern", erklärt Würz.
Erster Nutznießer der smarten Technik ist der ca. 80-jährige Mammutbaum am Kindäckerweg. Er ist ab sofort mit drei unterirdischen Sensoren mit verschiedenen Bodentiefen ausgestattet. Diese Sensoren messen die Bodentemperatur, Bodenfeuchtigkeit und Bodenleitfähigkeit und geben die Informationen in Echtzeit weiter. Dadurch lässt sich die Menge Wasser berechnen, die der Baum benötigt, um gesund zu sein. "Anhand der Ergebnisse können wir den individuellen Bedarf der Bäume ermitteln und gezielt bewässern, wodurch viel Wasser gespart wird", sagt Stefan Rogge.
Einer für alle - alle für einen
"Natürlich müssen nicht alle Bäume mit Sensoren ausgestattet werden", versichert Kai-Martin Fähndrich, Ingenieur und Dienstleister von der Ingenieurberatung IoT Masters. "In einem Gebiet mit gleichen Bodenverhältnissen reichen meistens 2 bis 3 Messpunkte aus. Die Erkenntnisse aus diesen Messpunkten können auf Gruppen ähnlicher Bäume im öffentlichen Raum angewendet werden", erklärt Fähndrich. “So bräuchte man beispielsweise 3 Sensoren, um den Wasserbedarf aller Bäume in der Franktfurter Straße zu ermitteln”, fügt Rogge hinzu. “Und mit diesen Daten könnten wir optimale Bewässerungspläne für die verschiedene Bereiche und Stadtteile individuell erstellen”.
“Als Biologe sind mir der Klimaschutz und die Umwelt besonders wichtig und ich weiß aus eigener Erfahrung, welche große Rolle Stadtbäume für das Stadtklima und die Lebensqualität spielen. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse des Pilotprojekts und hoffe, dass wir durch die digitale Bewässerung die Bäume in unserer Stadt besser schützen und erhalten können”, freut sich auch Bürgermeister Dr. Lang über das Pilotprojekt.
Nicht vertrocknen, nicht übergiessen
Erste Projektphasen zur digitalisierten Bewässerung wurden von Kai-Martin Fähndrich in Frankfurt und Groß-Gerau bereits erfolgreich begleitet. "In trockenen Sommern benötigen Bäume in der Stadt immer mehr Bewässerung. Oft haben die Gießfahrzeuge für die letzten Bäume der Tour nicht mehr genügend Wasser, während die ersten zu viel davon erhalten. Erkrankte und tote Bäume sind die teure Folge", weiß der Ingenieur aus eigener Erfahrung. "Wir haben die Stadt Frankfurt in einer ökonomischen Studie begleitet, um durch Sensorik Einsparpotenziale für Wasser zu finden und Bäume vor dem Verdursten zu bewahren", berichtet er.
IoT Masters übernimmt die Kosten für das Pilotprojekt. "Wir werden in den nächsten sechs Monaten eine große Menge an Daten ermitteln und analysieren. Diese Phase soll zeigen, ob und wie wir die 'Digitalisierte SmartCity Bewässerung' in der Kreisstadt in den nächsten Jahren einführen können” fasst Stefan Rogge zusammen.