Kreis Offenbach - „Beispiellos“, so formuliert Professor Dr. Jan Hilligardt, geschäftsführender Direktor die Herausforderungen, die im Zuge der Ukraine-Krise auf die Träger der Grundsicherung in Hessen zugekommen sind. „Nie zuvor galt es, in so kurzer Zeit, eine so große Personenzahl in die Rechtskreise des SGB II und SGB XII zu überführen.“ In Hessen sind insgesamt 16.102 Personen von diesem Rechtskreiswechsel betroffen, davon 1.921 Personen im Kreis Offenbach.
Seit dem 1. Juni 2022 tragen bundesweit die Jobcenter gemeinsam mit den Kreissozialämtern die Verantwortung für die Geflüchteten aus der Ukraine. Erst am 27. Mai 2022 hatte der Gesetzgeber diesen Übergang beschlossen. „Für dieses Szenario existierte keine Blaupause, an der wir uns hätten orientieren können“, so Hilligardt – entsprechend sei in den Landkreisen und kreisfreien Städten vor Ort ein Höchstmaß an Flexibilität, Improvisationsvermögen und Einsatzwillen erforderlich gewesen, um das wichtigste Ziel zu erreichen – „kein Betroffener darf in eine Leistungslücke fallen – der nahtlose Leistungsbezug über Rechtskreise hinweg hatte und hat die höchste Priorität.“
Neben offenen rechtlichen und finanziellen Fragen sind die Beschäftigten der hessischen Kommunalen Jobcenter in diesen Tagen vor allem kommunikativ gefordert. „Der Rechtskreiswechsel ist ein komplexer Vorgang, der sich den Menschen nicht intuitiv erschließt“, erläutert Hilligardt. So entstanden vor Ort binnen kürzester Zeit angepasste Anträge, Informationsangebote, mobile Beratungsangebote und vieles mehr. In zehntausenden Einzelgesprächen – häufig zwischen Tür und Angel – galt es zu erklären, zu unterstützen und häufig auch zu beruhigen.
„Nach der Flüchtlingswelle von 2015 und zwei Jahren Corona-Pandemie steht die Sozialverwaltung bereits vor dem dritten fundamentalen Belastungstest“, konstatiert der Geschäftsführende Direktor Professor Dr. Hilligardt, der im Namen des Hessischen Landkreistages den beteiligten Mitarbeitenden seine Anerkennung zollt: „Das sieht man in der Öffentlichkeit häufig nicht, wie viele Überstunden und Sonderschichten in den Jobcentern geleistet werden.“
„Für dieses Engagement danke ich ausdrücklich“, so der kommunale Spitzenvertreter, der ferner bei Geflüchteten, Kommunen, ehrenamtlichen Betreuern, Arbeitgebern, Vermietern und sonstigen Akteuren um Verständnis dafür wirbt, wenn aktuell manches länger dauert oder sich noch nicht so eingespielt hat. Er ist davon überzeugt, dass hessenweit alle Verantwortlichen mit Hochdruck an guten Lösungen arbeiten. Einen Erfolgsfaktor dafür sieht Professor Dr. Hilligardt in der besonderen Struktur der Kommunalen Jobcenter. „Flache Hierarchien, starke lokale Netzwerke und eine ausgeprägte `hands on´-Mentalität machen in dieser Krise den Unterschied!“
Die Pro Arbeit – Kreis Offenbach – (AöR) hat frühzeitig einen vereinfachten Antrag auf Grundsicherung für Leistungen nach dem SGB II in ukrainischer Sprache online angeboten. Ein Erklärvideo zum SGB II ergänzt die Information auf der Homepage in ukrainischer Sprache. „Bei uns sind nahezu alle Personen fristgerecht ins SGB II überführt worden“, sagt Boris Berner, Vorstand der AöR. „Möglich wurde dies nur, weil die Beschäftigten der AöR vor Ort in den Gemeinschaftsunterkünften die Geflüchteten in ukrainischer und russischer Sprache beraten und bei der Antragstellung unterstützt haben.“ Kreisbeigeordneter Carsten Müller dankt den Beschäftigten für ihr Engagement: „Danke an alle, die bei dieser besonderen Herausforderung im Sinne der Menschen mitgeholfen haben den Rechtskreiswechsel schnell und unbürokratisch zu vollziehen.“ Insgesamt sind im Kreis Offenbach knapp 2.000 Personen aus der Ukraine betroffen, diese entsprechen etwa einem Drittel aller Geflüchteten. Bereits 50 Geflüchtete aus der Ukraine haben sich freiwillig beim Arbeitgeberservice gemeldet, um möglichst schnell in ein Arbeitsverhältnis vermittelt zu werden.
Dass der Rechtskreiswechsel unter diesen Vorgaben und in dieser Form durchgeführt werden konnte und weiterhin durchgeführt wird, liegt vor allem in dem Austausch der Kommunalen Jobcenter untereinander sowie der Vernetzung mit allen Beteiligten und dem starken Einsatz und der hohen Flexibilität ihrer Mitarbeiter vor Ort. Dies unterstreicht erneut das gemeinsame Credo #Stark.Sozial.VorOrt.