Berlin – Nachdem er bei der vorletzten US-Präsidentschaftswahl noch den Demokraten Joe Biden unterstützte, vollzog Elon Musk bei der jüngsten Wahl einen Kurswechsel und schlug sich auf die Seite von Donald Trump. Mit Spenden von rund 270 Millionen Dollar und seiner hohen Reichweite im eigenen Kurznachrichtendienst X verlieh der Tech-Milliardär der Wahlkampagne des Republikaners noch mehr Schwung. Dem Ex-Präsidenten gelang ein fulminanter Sieg über seine Konkurrentin Kamala Harris, mit dem die Demoskopen wieder einmal nicht gerechnet hatten. Anders als 2016 präsentierte Trump diesmal sehr schnell seine Minister- und Beraterriege. Zusammen mit dem Geschäftsmann Vivek Ramaswamy wird Elon Musk Leiter einer „Abteilung für Regierungseffizienz“, die den Staatsapparat verschlanken und den amerikanischen Steuerzahlern Milliarden-Einsparungen bringen soll. Damit betritt der Gründer des Raumfahrtunternehmens SpaceX und Chef des Elektroautoherstellers Tesla die politische Bühne Washingtons und nutzt das Vertrauensverhältnis zum alten und neuen Präsidenten für medienträchtige Wortmeldungen. Dabei stützt er sich auf den Bloggingdienst X, den er unter dem Namen Twitter im Oktober 2022 für 44 Milliarden Dollar übernommen hat. Der glühende Anhänger echter Meinungsfreiheit warf die bisherige Konzernspitze raus, die für die jahrelange Zensur nicht-linker Beiträge verantwortlich war. Zur Übernahme sagte der gebürtige Südafrikaner, der seit 2002 US-Staatsbürger ist: „Freie Meinungsäußerung ist der Grundstein einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, an dem vitale Zukunftsthemen der Menschheit debattiert werden.“
Immer kritischer verfolgt Musk das politische Geschehen in Europa und lobt patriotische und zuwanderungskritische Kräfte wie die AfD. So mischte er sich in die Diskussion um das Weihnachtsmarkt-Attentat eines saudi-arabischen Asylbewerbers in Magdeburg ein. Auf der Plattform X teilte er ein Video von Naomi Seibt, in dem sie den CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz für seine strikte Kooperationsverweigerung gegenüber der AfD kritisierte. Die Influencerin sagte, dass die „Mainstream-Medien“ Merz bereits zum Kanzler erklärt hätten, während sie die Existenz der AfD völlig ignorierten. Dann attackierte die auch im Englischen wortgewandte 24-Jährige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und prophezeite, dass eine Koalition zwischen Union und Grünen den „ökosozialistischen nationalen Selbstmord“ Deutschlands forciere. Die Münsteranerin überschrieb ihren Beitrag mit den Worten: „Der voraussichtliche nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist entsetzt über die Vorstellung, dass Deutschland dem Beispiel von Elon Musk und Javier Milei folgen soll. Er lehnt einen freiheitlichen Ansatz entschieden ab und verweigert jegliche Diskussion mit der AfD.“ Musk kommentierte ihr Video mit dem knappen Satz: „Nur die AfD kann Deutschland retten.“ Diesen Ball nahm AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel freudig auf und dankte dem Erfolgsunternehmer für seine Unterstützung. „Ja! Sie haben vollkommen recht!“, schrieb die promovierte Volkswirtin und verwies auf ein Interview, das die Nachrichtenseite „Bloomberg“ mit ihr geführt hatte. Darin könne man lesen, „wie die Sozialistin Merkel unser Land ruiniert hat, wie die Sowjetische Europäische Union das wirtschaftliche Rückgrat des Landes zerstört und wie Deutschland nicht richtig funktioniert“. Schon zur Europawahl hatte der Tesla- und SpaceX-Chef ein Foto von Naomi Seibt mit dem AfD-Logo verbreitet und betont, er halte AfD-Positionen keineswegs für extremistisch.
Dann legte Trumps Sonderberater mit einem Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“ nach, der bis in die Parteispitzen und die Bundesregierung höchste Wellen schlug, weil er als direkte Einmischung in den Bundestagswahlkampf gewertet wurde. Der 53-Jährige nannte die AfD den „letzten Funken Hoffnung für dieses Land“ und bescheinigte ihr „politischen Realismus“. Bei den Themen Migrationskontrolle, Wirtschaftsbelebung und Energieversorgung vertrete die Partei die richtigen Standpunkte. Der Tech-Unternehmer schrieb außerdem: „Die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler?“ Weidel zitierte auf ihrem X-Account eine andere Stelle aus dem Musk-Text: „Die AfD setzt sich für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ein, die der Integration und dem Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit Vorrang einräumt. Dabei geht es nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern darum, dass Deutschland seine Identität nicht im Streben nach Globalisierung verliert.“
„Welt“-Chefredakteur Jan Philipp Burgard verteidigte in einem „FAZ“-Interview den Gastbeitrag gegen viele Kritiker und deren Doppelmoral: „Als der Milliardär George Soros im Europawahlkampf 2019 eine Wahlempfehlung für die Grünen veröffentlicht hat, sah Robert Habeck darin kein Problem. Und wenn jetzt der Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch, sagt, der Gastbeitrag von Musk sei ‚gefährlich und beschämend‘, dann kann ich nur warnen: Gefährlich wird es, wenn ein Spitzenpolitiker definieren will, welche Meinung eine Zeitung drucken darf und welche nicht.“ Warum habe es keinen Aufschrei des SPD-Generalsekretärs gegeben, als die „Zeit“ im Jahr 2021 – also nach der Annektierung der Krim – einen Gastbeitrag von Wladimir Putin druckte? „Und hat Matthias Miersch schon vergessen, dass Bundeskanzler Scholz 2022 in einem Gastbeitrag in ‚Le Monde‘ unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl den Franzosen empfohlen hat, für Emmanuel Macron zu votieren? Diese Doppelmoral empfinde ich als unerträglich.“
Seit Tagen wurde spekuliert, wann sich Weidel und Musk erstmals persönlich treffen und austauschen. Parteikreise bestätigen, dass es seit Längerem Kontakte zum Umfeld des mit 400 Milliarden Dollar reichsten Mannes der Welt gibt. „Das Team Weidel ist in regelmäßigem Austausch mit dem Team Musk“, zitierte der „Spiegel“ Weidel-Sprecher Daniel Tapp. „Elon Musk hat sich bereits vor einigen Monaten für das AfD-Programm interessiert.“ Angedacht war ein Live-Audio-Gespräch zwischen der Deutschen und dem US-Amerikaner auf dessen Plattform. Musk hatte positiv auf eine entsprechende Anregung eines X-Nutzers reagiert. „Über einen X-Space zwischen den beiden sind wir bereits im Austausch“, räumte Tapp ein. Nun gab er bekannt, dass beide voraussichtlich am 9. Januar auf X zu einem Gespräch zusammenkommen. Für 19.00 Uhr sei eine öffentlich zugängliche Diskussion in einem X-Space als Format für Live-Gespräche geplant.
Musk kann für die AfD zum Türöffner für ein internationales Netzwerk von „Rechtspopulisten“ werden, zu dem Weidel erklärtermaßen gehören will. Ihre Mission ist die höhere Anschlussfähigkeit ihrer Partei an andere rechte Kräfte und die Entdämonisierung der AfD, um sie für noch weitere Bevölkerungskreise wählbar zu machen. Der Politikberater Johannes Hillje, der im beginnenden Bundestagswahlkampf die Grünen berät, befürchtet genau das. Die AfD umwerbe in Konkurrenz zur FDP auch das wirtschaftsliberale Milieu, in dem Elon Musk als internationaler Unternehmer großes Ansehen genieße und mit seiner AfD-Wahlempfehlung durchaus etwas bewirken könne. „Ich wage die Prognose, dass Musks Aussagen für die AfD in diesem Wahlkampf wichtiger werden als ihr eigenes Wahlprogramm“, so Hillje. „Die AfD will die Botschaft setzen: Wenn der reichste Mann der Welt uns empfiehlt, dann müssen wir ja richtig liegen. Weidel wird vermutlich noch häufig in TV-Auftritten und Reden Musk zitieren. Einen wertvolleren Wahlkampfhelfer hätte die AfD sich nicht vorstellen können.“ Am 23. Februar 2025 wird alle Welt erfahren, ob Musks Parteinahme für die AfD und ihre Kanzlerkandidatin tatsächlich einen spürbaren Stimmenzuwachs gebracht hat.