Dietzenbach - Eine Erkundungsbohrung auf dem Gelände der Alten Stadtgärtnerei soll die Planung von Geothermieanlagen in der Region erleichtern. In insgesamt 20 hessischen Kommunen sind solche Bohrungen zur Ermittlung des örtlichen Erdwärmepotenzials beauftragt, so auch in Dietzenbach, als einzige Stadt im Kreis Offenbach. „Mit den gewonnenen Daten können Geothermieanlagen für private, kommunale und gewerbliche Gebäude zuverlässiger geplant werden“, erklärt Dietzenbachs Erster Stadtrat und Baudezernent René Bacher das Ziel der Initiative.
Die LandesEnergieAgentur Hessen (LEA) führt Anfang Dezember 2022 auf dem Gelände der Alten Stadtgärtnerei, Grenzstraße 47, eine oberflächennahe Erkundungsbohrung bis in eine Tiefe von bis zu 100 Metern durch.
Bürgerinnen und Bürger sind herzlich eingeladen, die Bohrstelle zu besuchen. Denn gleichartige Bohrungen werden durchgeführt, wenn ein Gebäude mit Energie aus Erdwärme versorgt werden soll. Bürgermeister Dr. Dieter Lang und Erster Stadtrat René Bacher waren am Dienstag, den 29. November vor Ort um sich die Arbeiten direkt anzuschauen und sich mit den Experten, Geologen sowie den Pressevertreterinnen und -vertretern austauschen.
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) ermittelt aus den gewonnenen Daten das Erdwärmepotenzial der Region. Die Ergebnisse werden in einem Steckbrief zusammengefasst und auf der Webseite des HLNUG veröffentlicht. Mit Hilfe dieser Informationen können Bauherrinnen und Bauherren eigene Geothermieanlagen zuverlässig und effizient planen.
„Dies ist ein weiterer Baustein, für mehr Klimaschutz durch regenerative Energien und weg von der fossilen Ausbeutungsgesellschaft“, sagt Bürgermeister Dr. Dieter Lang.
Was ist Erdwärme?
Die im Erdinneren gespeicherte Wärme, auch Geothermie genannt, kann zum Heizen und Kühlen von Gebäuden, für die Warmwasserbereitung und Stromerzeugung genutzt werden. Die Wärme kommt aus dem Erdkern. Nach heutigen Erkenntnissen ist es dort heißer als 5.000 Grad Celsius. Die Temperatur im Boden steigt mit zunehmender Tiefe an: in Deutschland um etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter. Nutzt man die Wärme aus maximal 400 Metern Tiefe, spricht man von oberflächennaher Geothermie. Sie grenzt sich von der tiefen Geothermie ab, die bis zu mehreren Kilometern in die Erde vordringt.
Die Wärme des Erdinneren ist praktisch unerschöpflich. Erdwärme zählt daher zu den erneuerbaren Energien. Die Nutzung von Erdwärme zum Heizen und Kühlen von Gebäuden ist ganzjährig, nachhaltig und effizient. Die Landesregierung fördert daher ihre Nutzung.
Wie verläuft die Bohrung?
Ein Bohrgerät wird mit einem Tieflader angeliefert und positioniert. Ein Bohrmeißel an der Spitze des Bohrgestänges arbeitet sich dann bis auf eine Tiefe von 100 Meter vor. In der Bergmannsprache nennt man dies „abteufen“. Das dadurch gelöste Gesteinsmaterial wird mit Wasser nach oben aus dem Bohrloch befördert. Dabei werden kontinuierlich Gesteinsproben zur geologischen Beschreibung entnommen.
Nachdem die geplante Bohrtiefe erreicht ist, wird das Bohrgestänge ausgebaut. Danach wird eine Erdwärmesonde in das Bohrloch eingelassen. Sie besteht aus zwei U-förmigen Kunststoffrohren. Das Bohrloch wird anschließend mit einer Zement-Bentonit-Suspension verfüllt. Dies ist erforderlich, um die Erdwärmesonde mit dem umgebenden Gestein fest zu verbinden. Damit wird ein hoher Wärmeaustausch zwischen Sonde und Erdreich erreicht. Zudem wird das Bohrloch gegen grundwasserführende Schichten abgedichtet.
Was kommt dann?
Das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) untersucht die Gesteinsproben. Eine Fachfirma führt circa zwei Wochen nach Einbau der Erdwärmesonde einen sogenannten „Thermal-Response-Test“ (TRT) durch. Dafür wird die Erdwärmesonde an eine Versuchsanlage angeschlossen. Mit dem TRT wird die Wärmeleitfähigkeit des Untergrundes bestimmt. Ergänzend wird in der Erdwärmesonde die Temperatur des Untergrundes ermittelt.
Wie kann Erdwärme in Gebäuden genutzt werden?
Die Erdwärme muss zunächst an die Oberfläche transportiert werden. Weit verbreitet sind dazu Erdwärmesonden. Sie werden mit Hilfe einer Bohranlage meist bis zu 100 Meter tief in die Erde eingelassen. In ihnen zirkuliert eine Trägerflüssigkeit, die sich unterirdisch erwärmt.
Wärmepumpen im Gebäude erhöhen anschließend die Temperatur noch weiter, um sie für die Heizungen und das Warmwasser nutzbar zu machen. Für jede Kilowattstunde Strom, die die Wärmepumpe benötigt, werden bis zu sechs Kilowattstunden Wärme erzeugt. Mit Hilfe der Erdwärmesonde kann zudem im Sommer gekühlt werden, da die Temperatur in 100 Metern Tiefe ca. 12 Grad Celsius beträgt.
Hintergründe zum Projekt
Das Projekt wurde vom HLNUG entwickelt und im Jahr 2019 mit einer Pilotphase gestartet. Seit 2020 wird das Projekt gemeinsam von der LEA Hessen und dem HLNUG durchgeführt. Insgesamt werden 2021/2022 20 Erkundungsbohrungen durchgeführt. Auftraggeber ist das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen (HMWEVW). In diesen Kommunen werden Erkundungsbohrungen durchgeführt: Alsfeld, Büdingen-Düdelsheim, Dietzenbach, Frankenberg (Eder), Frankfurt, Habichtswald, Heidenrod, Hofheim-Wallau, Homberg (Efze), Kassel/Calden, Langgöns-Dornholzhausen, Marburg, Offenbach, Pohlheim, Riedstadt-Goddelau, Solms, Stockstadt am Rhein, Twistetal, Vellmar und Waldeck.