Mehr Skandinavien wagen und sich von San Francisco inspirieren lassen
Mehr Skandinavien wagen und sich von San Francisco inspirieren lassen

Offenbach - Die Transformation der Innenstadt bewegt die Menschen: Das zeigte der gut gefüllte Platz vor dem Rathauspavillon am Mittwochabend, 7. September. Dorthin hatte Anna-Maria Rose, Projektmanagerin der Agentur Mitte bei der Wirtschaftsförderung Offenbach und als solche für die Gesamtkoordination des “Zukunftskonzept Innenstadt“ zum „Offen denken“ eingeladen, dem zweiten Workshop, bei dem Ideen für die zukünftige Nutzung des Pavillons entwickelt werden sollten. 

Ein weiteres Thema war die Stadtbibliothek, die als „Station Mitte“ stärker in der Innenstadt verortet werden soll. Mehr noch, nicht nur Bücherspeicher und Treffpunkt für Buchverliebte soll diese nach den Vorstellungen der Planer des Hamburger Büros Urbanista bald sein, sondern nach internationalen Beispielen gestalteter multifunktionaler Raum. Eben ein „offenes Haus“ wie in Kopenhagen, ein Inkubator wie in Amsterdam oder ein Platz für „Edutainment“, also Wissensvermittlung auf unterhaltsame und spielerische Weise, wie in San Francisco. Noch ist Platz für Wünsche und Ideen:„Wir gestalten gemeinsam die Mitte der Stadt und nehmen das ernst:“ Deshalb gab Rose gemeinsam mit Johannes Gerstenberg vom Frankfurter Architekturbüro bb22 den rund 60 anwesenden Bürgerinnen und Bürgern im ersten Teil der Veranstaltung einen Überblick zum Stand der Projekte sowie der möglichen Standorte für die „Station Mitte“ und baten im Anschluss zum Ideensammeln.

Die Stadtbibibliothek klagt seit längerem schon über Raumnot und tatsächlich spricht vieles dafür, dass von einer Standortverlagerung die Bibliothek, ihre Nutzerinnen und Nutzer und auch die Innenstadt gleichermaßen profitieren könnten. „Wir hätten mehr Platz, wären gut erreichbar und ein attraktiver Anlaufpunkt in der City“, sagt deren Leiterin Nicole Köster und ist neugierig auf die weiteren Ideen der Bürgerinnen und Bürger. Die sind zahlreich, schließlich soll es in der Station Mitte um mehr gehen, als „nur“ Bücher auszuleihen. Worte wie „FabLab“, „MakerSpace“, „Co-Working, „Wissensbörse“, schwirren durch den Raum, werden von Gerstenberg aufgefangen und auf die großen Plakate geschrieben. Dort stehen bereits „Werkstatt“, „Lerncafe“, „Austausch“, „barrierefrei“, „Jukumo“, „Repaircafe“ und viele andere Wörter, die der Pavillon einmal sein soll. Momentan ist es nur eine Sammlung von Stichwörtern und Ideen, die in den nächsten Wochen von den Planern gemeinsam mit der Stadtgesellschaft vertieft werden sollen.

„Natürlich hängt das auch alles vom zukünftigen Standort der Station Mitte ab“, findet Georg Klein. Er ist als Vertreter des Digital Retro Parks gekommen. Das ehrenamtlich geführte Computermuseum ist seit mehr als zwei Jahren im Obergeschoss in der Walther-Passage zu finden und lädt zur Zeitreise mit Commodore, Atari & Co. „Wir zahlen viel Miete und möchten gerne sichtbarer werden“, sagt er und wünscht sich daher niedrigere Kosten und Ausstellungsflächen am besten im Erdgeschoss. Damit kämen sowohl das „“Ensemble C&A“, das „KOMM“ am Aliceplatz, aber auch der ehemalige Karstadt, jetzt TK Maxx, in Frage. „Das sind die drei verbliebenen möglichen Standorte“, erklärt Gerstenberg, „die Post, der City-Tower und auch die Walther-Passage sind aus mehreren Gründen nicht ideal.“ Und meint Mietkosten, aber auch Lage und Architektur der infrage kommenden Immobilien. „Die Mietpreise sind das dickste Brett“, ergänzt Rose, „die sind auch für viele soziokulturelle Projekte nicht zu stemmen.“ Deshalb will sie erst einmal möglichst viele Akteurinnen und Akteure im stadteigenen Rathaus-Pavillon unterbringen, der seit dem Auszug des Polizeiladens im Frühjahr auf neue Aufgaben wartet.

Den Rathaus-Pavillon als Raum für alle(s) entwickeln

Dort ist aktuell eine Ausstellung der Wetter- und Klimawerkstatt zu sehen, als erste echte Zwischennutzer wird das Kinder- und Jugendparlament bald einziehen, außerdem nutzt die Gruppe des „UND“ Teile der Flächen als Lager. „Und“ war die temporäre Bespielung der vis à vis liegenden Räume der ehemaligen B&B-Bank am Stadthof durch Studenten des Studiengangs Experimentelle Raumkonzepte bei Prof. Heiner Blum. Sonja Herrmann und Marie-Celine Grosz gehören zu der Gruppe, die eine kleine Version des Pop-Ups im hinteren Bereich des Pavillons nochmals eingerichtet hat und am Mittwochabend Besucherinnen und Besucher an der Theke mit Getränken und einem kreativen Snack versorgt. Salat, Brot, Bohnen, Paprika und Weintrauben – die „Fusion“ oder auch „Crossover“-Küche im ersten UND kam gut an und die Gruppe um Grozs ist seit dem Frühjahr öfter für kleine Caterings angefragt.

Essen ist auch für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer der Workshopgruppen für die Nutzung des Pavillons ein zentrales Thema: Einen Mittagstisch oder einen Imbiss könnte sich beispielsweise Karin Knoll an der Stelle vorstellen. Sie arbeitet mit Theatermacher Akira Takayama für das „Theater der Welt“, das im kommenden Jahr auch nach Offenbach kommt und möchte dann Geflüchteten die Möglichkeit geben, ihre Kompetenzen einzubringen. „Empowerment“, mit Kochen, aber auch anderen Angeboten, mit denen erste Schritte in Richtung autonomer Existenzsicherung gemacht werden können. „Da hat Offenbach eine tolle Tradition“, meint sie, „man denke nur an die Hugenotten.“ Einen Ort zum Austausch von Fähigkeiten und Vernetzen wünschen sich auch die Vertreterinnen des Freiwilligenzentrums Offenbach, Platz, um „Kompetenzen zu stärken“ und „Gemeinsinn zu fördern“. Wie die meisten anderen sind auch sie mit konkreten Wünschen und Erwartungen an den Pavillon gekommen und die sind bei näherer Betrachtung gar nicht so verschieden: „Integrativ“, „barrierefrei“, „flexibel“, und „offen“ ist oft zu hören bei der Vorstellung der einzelnen Ideen. Ganz oft auch „zusammen“. „Unbedingt selbstverwaltet“, soll es sein, meint Felix Sauer, Mitbetreiber des ehemaligen Multiversums in der Bieberer Straße und seit dem Abriss des Gebäudes auf der Suche nach neuen Möglichkeiten für ein „Wohnzimmer 2.0.“.

„Mehr Grün“, wünscht sich Franziska Höfer von der Löwen-Apotheke in der Innenstadt und hofft auf die Realisierung der dritten im Zukunftskonzept formulierten Vision für den Pavillon: Das sogenannte „Dachsteiger-Konzept“ mit einer Begrünung des Dachs und jederzeit für Bürgerinnen und Bürger zugänglichen Gartens. Dessen Realisierbarkeit wird, so wie die Entwicklung des Pavillons zu einem „Multispace“ (Vision 1) vorzugsweise als Hybrid mit einem nachhaltigen, regionalen gastronomischen Konzept (Vision 2), in einer vertieften Objektplanung in den kommenden Monaten baulich weitergedacht. Im kommenden Jahr sollen die Stadtverordneten eine Grundsatzentscheidung über die Art der Nachnutzung treffen, bis zu einem möglichen Umbau 2024 kann der Pavillon mit Kunst und Kultur zwischengenutzt werden. Höfer freut sich über das Engagement der vielen Gruppen und für die Apothekerin ist klar, „die Gestaltung der Innenstadt bekommen wir nur als Stadtgemeinschaft hin.“


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