Moritz Hunzinger (rechts im Bild) ist auch wissenschaftlich der Ukraine eng verbunden.
Moritz Hunzinger (rechts im Bild) ist auch wissenschaftlich der Ukraine eng verbunden.


Frankfurt am Main – Lobbyismus hat keinen sonderlich guten Ruf. Damit werden alle Aktivitäten bezeichnet, bei denen Interessengruppen durch die Pflege persönlicher Kontakte Politiker von ihren Anliegen überzeugen und somit in ihrem Sinne beeinflussen wollen. Der Begriff kommt aus dem Englischen und bezieht sich auf eine frühe Tradition im englischen und amerikanischen Parlamentarismus. Damals warteten in der Parlaments-Lobby die Vertreter von Wirtschaft, Kirchen und gesellschaftlichen Gruppen auf die Volksvertreter, um mit ihnen zielgerichtet ins Gespräch zu kommen. Lobbyismus hat immer zwei Seiten: er kann für die parlamentarische Arbeit nützlich sein, weil Interessengruppen auf ihrem Gebiet viel Fachwissen besitzen und sie es an die Politik weitergeben. Lobbyisten können aber auch demokratische Entscheidungsprozesse umgehen und den in Wahlen bekundeten Mehrheitswillen aushebeln, wenn sie zu stark und einseitig auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen. In einer funktionierenden Demokratie sollten möglichst viele Interessen bei politischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden.

PR-Profi und Medienunternehmer Moritz Hunzinger

Diese Auffassung vertritt vermutlich auch der Public-Relations-Berater Moritz Hunzinger, obgleich er als einer der einflussreichsten Lobbyisten Deutschlands gilt. In einem engeren Sinne akzeptierte er den Begriff immer, „weil ich zielführend interessenorientiert Projekte verfolge“. Lobbyarbeit fange beim Verstehen des Vorhabens an und ende mit dem Erfolg: der Platzierung und dem Verkauf eines Produktes. Seine Tätigkeit beschrieb der 1959 in Frankfurt am Main geborene PR-Profi einmal so: „Harte Arbeit: gründlich recherchiert ein Absatzziel definieren und umsichtig durchsetzen. Also, bei Entscheidungsträgern Wohlwollen gewinnen.“ Dabei wollte er immer „verlässlich, diskret und korrekt“ sein. Die Möglichkeit, Politiker direkt zu umgarnen, hält er für begrenzt, weil die allermeisten von ihnen in der „Lebenswirklichkeit zu Hause“ seien.

Ob das auch für den Grünen-Politiker Cem Özdemir galt, kann bezweifelt werden. Als der heutige Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft 1994 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, konnte er mit den üppigen Diäten nicht umgehen und gab sie mit vollen Händen aus. Der „anatolische Schwabe“ mit einem Faible für teure Designer-Anzüge begründete seine Finanzmisere so: „Ich hatte damals bei meiner Bank in Ludwigsburg ein ganz normales Girokonto, das war schon völlig überzogen, da ich nach meiner Wahl praktisch allen, die irgendwie Geld von mir wollten – allen humanitären Organisationen, allen im Umkreis – gerne geholfen habe. Irgendwann nach drei Jahren kam die Steuernachzahlung, und ich hatte dann ein kleines Problem, und dieses Problem war ich froh, gelöst zu bekommen.“

Problemlöser in der Not war Moritz Hunzinger, der dem Abgeordneten mit einem günstigen Privatkredit aus der Klemme half. Im Januar 1999 nahm der Grüne bei dem umtriebigen Medienunternehmer einen Kredit in Höhe von 80.000 D-Mark zum damals günstigen Zinssatz von 5,5 Prozent auf. Diesen zahle er seither in monatlichen Raten von 2.000 Mark ab, erklärte Özdemir im Juli 2002, als das Privatdarlehen in fünfstelliger Höhe bekannt geworden war. Die irreführenderweise „Hunzinger-Affäre“ getaufte Geldbeschaffungsaktion des Gastarbeiterkindes nahm eine noch größere Dimension an, als publik wurde, dass er für seine Teilnahme an einer PR-Veranstaltung Geld von Hunzinger bekommen hatte. Verpflichtungen sei er gegenüber dem PR-Strategen aber nicht eingegangen. „Ich habe dadurch keine Vorteile, keinerlei Beratungstätigkeit oder sonst was durch das Unternehmen in Anspruch genommen“, versicherte der Grüne vor 20 Jahren. Hunzinger sagte zu dieser Causa später lakonisch: „Der Özdemir hatte mich innigst um ein privates Darlehen gebeten, da hätt‘ er halt hinterher net drüber schwätzen sollen.“ Langfristig geschadet hat dem Politiker weder das Privatdarlehen noch das PR-Honorar. Heute ist Cem Özdemir Bundeslandwirtschaftsminister und dürfte mit dem Ministergehalt auskommen. Mit seiner Beratungstätigkeit für den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) wurde Hunzinger endgültig der deutschen Öffentlichkeit bekannt und galt bald als einer der wichtigsten Kontaktvermittler zwischen Politik und unterschiedlichen Interessengruppen.

Prof. Moritz Hunzinger: PR-Berater, Spin Doctor und Herr über ein riesiges Fotoarchiv

Der von der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG) mit der Silbernen Nadel Geehrte stand zunehmend selbst im Mittelpunkt des Medieninteresses statt nur im Hintergrund Kontakte und Geschäfte anzubahnen. Immer häufiger wurde der Hesse zu den Erfolgschancen von Politikern oder den Mängeln politischer Kommunikation befragt. Auch in Fernseh-Talkshows wurde er eingeladen, wenn es um Fragen der Wirtschaftsethik oder des Verhältnisses von Politik und Wirtschaft ging. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 seinen Einstieg ins Beratergeschäft ankündigte, erklärte Hunzinger: „Er war früher als Rechtsanwalt schon Berater und ist es jetzt wieder – allerdings mit dem ‚Sex appeal‘, Regierungschef von Deutschland gewesen zu sein.“ Schröder könne Türen öffnen, „um Märkte zu erschließen, den Horizont seines Auftraggebers erweitern, Wettbewerber an einen Tisch bringen, Fäden spinnen und Knoten bilden“.

Moritz Hunzinger wirbt offen für die Ukraine als Bestandteil einer künftigen EU

Hunzinger, der mit 20 Jahren – ohne Abitur und Studium – eine Agentur für Öffentlichkeitsarbeit gründete und sie später an die Börse brachte, ließ sich nie parteipolitisch verorten. Er beriet SPD-Mann Scharping, lieh dem Grünen Özdemir Geld und war vier Jahre lang Bundesschatzmeister der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) der CDU. Mit der kam es zum Bruch, als der „PR-Guru“ („Bild“) 2019 auf der Facebook-Seite eines Frankfurter CDU-Politikers schrieb: „Mit Kohl gäbe es diese scheußliche Masseneinwanderung von Wilden nicht.“ Im Verlauf der Facebook-Diskussion teilte er zur Untermauerung seiner Position Artikel über straffällig gewordene Nordafrikaner. Den Rassismusvorwurf konterte der Mann, der 2014 eine Professur für PR und Kommunikation am Institut für Soziologie, Psychologie und Soziale Kommunikationsmittel der Drahomanow-Universität in Kiew antrat, souverän. Er stehe „wie eine Eins“ zu Deutschland und wolle eben nicht, dass im Zuge „unkontrollierter Einwanderung“ viele „Wilde“ ins Land kämen.

Seit August 2020 ist er Vorstand der Bildagentur Action Press, die ein Jahr später die Bildagentur ddp übernahm. „Mit Moritz Hunzinger haben wir einen leidenschaftlichen und gut vernetzten Medienprofi für uns gewonnen, der Action Press seit vielen Jahren eng verbunden ist“, betonte der bisherige Allein-Geschäftsführer Ulli Michel. An der neu gegründeten Action Press AG in Frankfurt am Main sind Michel und Hunzinger mit jeweils 50 Prozent beteiligt. Letzterer will das Unternehmen strategisch weiterentwickeln: „Ich werde Action Press als führende Fotoagentur im digitalen Zeitalter etablieren.“ Im Spätsommer 2021 baute sie ihre Präsenz auf dem europäischen Foto-Content-Markt mit der Übernahme der Fotoagentur ddp noch aus. Dazu hieß es: „Mit Fotoreportagen und Features aus aller Welt, Studioporträts bekannter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, hochwertigen Reise-, Kreativ- und Titelproduktionen, Food-Content und Rezeptservices sowie der Fotosyndizierung für Verlage wie The New York Times, USA today, The Sun, The Times, The Sunday Times, Mondadori Photo, Gruner & Jahr und die Klambt Mediengruppe wird das redaktionelle Leistungsspektrum deutlich erweitert werden.“ Moritz Hunzinger ist auch da ganz in seinem Element.

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