Ivan Glasenberg wurde als CEO des Rohstoffkonzerns Glencore bekannt und vermögend
Ivan Glasenberg wurde als CEO des Rohstoffkonzerns Glencore bekannt und vermögend

Baar – Die Glencore International AG ist die weltgrößte im Rohstoffhandel tätige Unternehmensgruppe. Der Konzern mit Hauptsitz im schweizerischen Baar wurde in den 1970er-Jahren als Handelsunternehmen gegründet und hat sich zum bedeutendsten Hersteller und Vermarkter von Rohstoffen entwickelt. Die Gruppe besitzt rund 150 Bergbau-, Metallurgie- und Ölförderanlagen und beschäftigt insgesamt 135.000 Mitarbeiter.

Mitte dieses Jahres übernahm Gary Nagle als neuer Chief Executive Officer die Verantwortung für den Rohstoffriesen. Er trat damit die Nachfolge von Ivan Glasenberg an, der das Unternehmen 19 Jahre lang mit großem Erfolg führte. Der Manager, der 1957 in Johannesburg geboren wurde, sorgte dafür, dass Glencore von einem gewöhnlichen Rohstoffhändler zum weltweit größten und bestens diversifizierten Rohstoffunternehmen wurde. Sein Nachfolger Nagle kam im Jahr 2000 zur Firma und hat in deren Marketing- und Industriegeschäft in Australien, Kolumbien, Südafrika und der Schweiz gearbeitet. Er tritt in die denkbar großen Fußstapfen von Ivan Glasenberg, der Anfang des Jahres wieder einmal beeindruckende Geschäftszahlen vorlegte. 

Die Handelssparte des Rohstoffkonzerns erwirtschaftete 2020 einen Vorsteuergewinn (Ebit) von 3,3 Milliarden Dollar, was im Vorjahresvergleich einem satten Plus von 41 Prozent entspricht. Die Rohstoff-Profis aus der Schweiz profitierten nicht nur von den Gewinnen im Ölhandel, sondern auch davon, dass in der zweiten Jahreshälfte die Preise für Kupfer und andere Industriemetalle deutlich anzogen. Glasenberg sieht den Konzern deshalb für die Zukunft bestens gerüstet. „Der Ausblick ist großartig für uns und großartig für Rohstoffe“, erklärte der scheidende CEO. Dazu trage die neue US-Administration unter Präsident Joe Biden bei, weil sie Investitionen in grüne Technologien anschiebe und die Wirtschaft dafür viel Kupfer benötige. „Bidens grüne Politik wird gut für uns sein“, zeigte sich der damalige Glencore-Chef überzeugt. Er hält einen neuen „Rohstoff-Superzyklus“ für möglich, bei dem die Nachfrage nach Industriemetallen sogar noch vorherige zyklische Wachstumsphasen übersteigt. Das „Handelsblatt“ notierte dazu im Februar 2021: „Neben dem Handelsgeschäft entwickelt sich die Produktion von Industriemetallen zum Wachstumstreiber. Allein das Ebitda der Kupfersparte stieg um 50 Prozent, die Marge sogar um 70 Prozent. Für 2021 stellt Glencore ähnlich starkes Gewinnwachstum im Kupfergeschäft in Aussicht – bei stagnierender Produktionsmenge. Auch bei Zink und Nickel erwartet der Konzern starke Zuwächse.“

Kurz vor seinem Ausscheiden als CEO appellierte Glasenberg an seinen Nachfolger, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern deutlich zu reduzieren. Und so will Glencore die eigenen CO2-Emissionen bis 2050 auf null reduzieren. Das wäre eine historische Trendwende für den Konzern, der mit seinen bisherigen Geschäften im Ölhandel und in der Kohleproduktion für industriell erzeugte Treibhausgasemissionen mitverantwortlich ist. Ende Juni 2021 schied Ivan Glasenberg nach 19 Jahren an der Spitze aus und übergab an Gary Nagle ein Unternehmen, das sich zehn Jahre nach dem Börsengang in einer guten Verfassung befindet: Die Rohstoffnachfrage boomt, und der Aktienkurs hat sich seit der Schwächephase im März 2020 wieder mehr als verdoppelt. Medienberichten zufolge soll Glasenbergs 9,2-Prozent-Paket derzeit 4,5 Milliarden Franken wert sein. 

Trotz dieses beträchtlichen finanziellen „Ruhepolsters“ und seines Alters denkt der Südafrikaner mit Schweizer Staatsbürgerschaft nicht über einen kompletten Rückzug aus „seinem“ Konzern nach. Über sein üppiges Aktienpaket bleibt der 64-Jährige zusammen mit der Qatar Investment Authority, die ebenfalls stattliche Anteile hält, der größte Einzelaktionär der Unternehmensgruppe. Auch über seinen Kronprinzen dürfte die Manager-Legende weiterhin erheblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik von Glencore ausüben. Wie sein Mentor stammt Nagle aus Südafrika und studierte an der Witwatersrand-Universität das Fach Buchhaltung. Seit 21 Jahren arbeiten Glasenberg und Nagle im Unternehmen zusammen. Weil der „Mini-Ivan“ beim Börsengang 2011 nicht zu den großen und damit topverdienenden Anteilseignern gehörte, hob der Verwaltungsrat dessen Salär im Frühjahr auf 10,8 Millionen Dollar an.

Mehr Zeit für seine Hobbys und karitativen Aktivitäten wird Ivan Glasenberg in jedem Fall haben. In Litauen als dem Land seines Vaters hat er ein Landgut erworben, das er als Rückzugsort ausbauen lässt. Im Rahmen eines großangelegten Charity-Projektes leistet er finanzielle Unterstützung für mehr als 50 Schulen in der Ex-Sowjetunion sowie in Südafrika. Außerdem ist der leidenschaftliche Radfahrer bei einer italienischen Radsportmarke als Geldgeber eingestiegen. Konkret geht es um den Radsportbekleider Q36.5, der „High-End-Textilien“ für Fahrrad-Enthusiasten anbietet. In der Eigenwerbung ist von der „leichtesten und effizientesten Radsportkleidung der Welt“ die Rede, die die Körpertemperatur konstant auf 36,5 Grad halte. Das Unternehmen mit Sitz in Südtirol wurde 2013 von Luigi Bergamo gegründet, der zuvor Forschungschef beim Radsport-Bekleidungshersteller Assos in San Pietro di Stabio im Tessin war. Genau dort begegnete er seiner späteren Frau Sabrina Emmasi Bergamo. Die Tessinerin ist heute Geschäftsführerin von Q36.5 und spricht über Glasenberg in den höchsten Tönen: „Ivan hat eine tiefe Leidenschaft für den Sport und das Geschäft. Es ist großartig, ihn an Bord zu haben.“ 

Über die Höhe seiner Beteiligung schweigen sich alle Involvierten aus, aber gerüchteweise soll es sich um einen zweistelligen Prozentanteil handeln. Die Beteiligungsmehrheit liegt weiterhin beim Gründerehepaar. Dank seines über Neun-Prozent-Anteils an Glencore ist Glasenberg weit mehr als vier Milliarden Franken schwer und kann unternehmerisch tätig werden, wo und wie es ihm gefällt. Seit gut drei Monaten ist Gary Nagle nun Glencore-CEO und setzt alles daran, den Rohstoffkonzern zu einem ökologischen Unternehmen umzubauen, das grüne Imagepflege mit Profitabilität verbindet. Auf die Mithilfe seines Vorgängers kann er sich dabei sicherlich verlassen.

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