Kreis Offenbach / Hessen - Immer mehr ukrainische Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien von Krieg und Flucht betroffen sind, werden in diesen Tagen und Wochen in Hessens Schulen aufgenommen. Derzeit nehmen bereits mehr als 3.300 geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler ein Angebot wahr – Tendenz weiter steigend. Aktuell ist noch ungewiss, ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren können. Hessen steht wie alle anderen Länder vor der Herausforderung, diese Kinder und Jugendlichen in die etablierten schulischen Strukturen aufzunehmen und gleichzeitig dem Wunsch vieler Geflüchteter nachzukommen, ihren bisherigen Unterricht aus der Ukraine online fortzuführen. „Die Einrichtung einer ‚Task Force Ukraine‘ durch die Kultusministerkonferenz zeigt, wie groß diese neue Herausforderung für uns alle ist“, sagte Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz heute in Wiesbaden. „Anders als bei der vorigen Flüchtlingswelle geht es jetzt darum, für die zu uns geflohenen Kinder und Jugendlichen einen Mittelweg zu finden: einerseits Deutschförderung und Integration in unser Schulsystem und andererseits die Fortführung eines Teils des bisherigen Schullebens. Deshalb wollen wir – dort wo es möglich ist – neue Angebote machen.“
Hessen hat mit seinem bereits etablierten schulischen Gesamtsprachförderkonzept zum Erlernen der deutschen Sprache sehr gute Voraussetzungen zur Bewältigung der neuen Herausforderungen. Selbst bei einem nur wenige Monate währenden Aufenthalt in Deutschland ist ein Mindestmaß an Deutschkenntnissen unerlässlich. Aktuell gibt es an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Hessen rund 1.170 Intensivklassen mit 20.000 Kindern und Jugendlichen – nicht nur aus der Ukraine.
Zusatzangebot einer Sprach- und Kulturvermittlung in ukrainischer Sprache
Ergänzend zu dem bisherigen System der Intensivklassen sollen die Geflüchteten, deren Schuljahr in der Heimat nur noch bis Ende Mai läuft, mit einem neuen und freiwilligen Sprach- und Kulturunterricht in ukrainischer Sprache darin unterstützt werden, den Bezug zum ukrainischen Unterricht nicht zu verlieren. In Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Personen kann dieser in der Grundschule vier Wochenstunden am Nachmittag umfassen. „Wir wollen damit eine Brücke bauen zum Unterricht aus dem Heimatland“, erläuterte der Kultusminister. Das Angebot unterscheidet sich damit vom herkömmlichen Herkunftssprachenunterricht. Der Unterricht findet in Verantwortung des Landes statt und wird von Ukrainisch sprechendem und vom Land eingestelltem Personal erteilt. An welchen Grundschulen der neue Unterricht angeboten werden kann, hängt von den personellen Möglichkeiten vor Ort ab.
In der weiterführenden Schule können die Kinder und Jugendlichen für die Fortführung ihres bisherigen Online-Unterrichts aus der Ukraine von den Intensivsprachfördermaßnahmen befreit werden. Auf diesem Weg kann ihnen bei den bald anstehenden Schulabschlüssen geholfen werden. Nach dem Ende des regulären Schuljahrs in der Ukraine (31. Mai) kann auch dort wie in der Grundschule ein ergänzender Unterricht in ukrainischer Sprache (4 Wochenstunden) angeboten werden – im Rahmen der personellen Möglichkeiten der jeweiligen Schule. „Für unsere Angebote stehen wir in Kontakt mit verschiedenen ukrainischen Vereinen und Verbänden in Hessen sowie dem Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt – mit dem Ziel der weiteren personellen Unterstützung. Besonders freut uns, dass sich bereits mehr rund 170 ukrainische Lehrkräfte, davon mehr als 100 mit Deutschkenntnissen, bei unseren Schulämtern gemeldet haben. Das stimmt mich sehr positiv, dass wir auch diese Herausforderung bewältigen werden“, führte Lorz weiter aus.
Der Generalkonsul der Ukraine in Frankfurt, Vadym Kostiuk, sagte: „Die Schulangebote des Landes Hessen helfen uns sehr, damit unsere geflüchteten Landsleute und gerade die Kinder und Jugendlichen hier ein wenig Normalität im Alltag bekommen.“
Neben deutschen Lehrerinnen und Lehrern ist für die Unterstützung der Schulen auch ein Einsatz von ukrainischen Lehrkräften und Personal mit professioneller pädagogischer Erfahrung (zum Beispiel durch die Tätigkeit in ukrainischen Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten, Sprach- oder Volkshochschulen) möglich. Dafür werden die staatlichen Schulämter, die Meldebehörden und auch ukrainische Vereine einen Flyer in deutscher und ukrainischer Sprache erhalten, der breit gestreut werden soll, unter anderem bei den Meldebehörden.
Um die Schulen und die Schulämter in diesen herausfordernden Zeiten bei der durchgängigen und systematischen Sprachförderung zu stärken, erhalten die Staatlichen Schulämter zur Koordination 15 neue Stellen für die Aufnahme- und Beratungszenten. Für die Schulen gibt es im Mai und Juni je nach Bedarf weitere zusätzliche Stellen zur flexiblen Nutzung in Vorlaufkursen und Intensivkursen.