Wiesbaden - Wer in Hessen auf der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder Eigenheim ist, der hat es derzeit nicht leicht, denn die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist angespannter denn je. Der hessische Wirtschafts- und Wohnungsbauminister Tarek Al-Wazir (Grüne) rechnet bis 2040 mit einem Bedarf von rund 367.000 neuen Wohnungen in ganz Hessen. Der Löwenanteil davon entfällt auf die Region Süd-Hessen und die großen Städte Wiesbaden, Frankfurt, Offenbach und Darmstadt.
Den Städten und Kommunen fehlt es jedoch an Geld, um die benötigten Wohnungen in den nächsten 20 Jahren zu errichten. Insbesondere der bezahlbarer Wohnraum für alleinstehende Menschen oder junge Familien fehlt derzeit am meisten auf dem Markt. Auch die Situation, dass in den Städten wie Wiesbaden, Frankfurt oder Darmstadt kaum noch Platz zum nachverdichten und größere Neubaugebiete vorhanden ist, stellt die Stadtplaner in Hessen vor ein Problem. Viele Menschen, besonders junge Familien, zieht es daher in das Umland und die kleineren Kommunen des Rhein-Main-Gebietes, wo die Mieten noch einigermaßen bezahlbar und der Wohnraum noch nicht gänzlich zu Mangelware geworden ist. Die kleinen Kommunen jedoch, profitieren nur bedingt von dieser Entwicklung und sind mit dem Ansturm auf den eigenen Wohnungsmarkt überfordert.
Das Projekt, imposant als 'Großer Frankfurter Bogen' bezeichnet, soll den betroffenen Kommunen nun bis 2040 finanziell kräftig unter die Arme greifen. Rund 2,2 Milliarden Euro will die Landesregierung in die Hand nehmen und den Kommunen für den eigenen Wohnungsbau Etappenweise zur Verfügung Stellen. Keine Planung mit Weitsicht, sondern eine Notbremse, wie Minister Al-Wazir selbst auf einer Rede in Wiesbaden eingestehen muss: „Auf ganz Hessen gerechnet könnte man daher sagen: Wir sind im Soll", fasste der Minister die Situation in Hessen zusammen.
2019 wurden insgesamt 55 Städte und Kommunen, die innerhalb von maximal 30 Minuten mit der Bahn vom Frankfurter Hauptbahnhof aus entfernt sind, eingeladen am Projekt Großer Frankfurter Bogen teilzunehmen. Trotz unnötig hoher bürokratischer Hürden und einiger Ausnahmeregelungen im bezug auf die willkürlich festgesetzte Zahl von 30 Minuten bis zum Frankfurter Hauptbahnhof, sind dem Aufruf inzwischen 35 Kommunen gefolgt. Darunter Kommunen wie Erzhausen, Rödermark, Zwingenberg, Oberst Karben, Heusenstamm, Dreieich und die Städte wie Hanau und Darmstadt.
In Darmstadt steht die Entwicklung des Ludwigshöhe Viertels im Vordergrund. Für rund 3.100 Menschen sollen hier in den nächsten Jahren neuer Wohnraum geschaffen werden. In Erzhausen entsteht das neue Wohngebiet „Die vier Morgen" in unmittelbarer Nähe zur ÖPNV-Anbindung und dem neuen Schnellradweg von Darmstadt nach Frankfurt. In Karben soll mit den Fördermitteln in der Innenstadt ein neues Quartier errichtet werden, das Brunnenquartier. In Hanau sind zwar gleich mehrere Projekte geplant, jedoch besitzt die Stadt kaum noch nennenswerte Flächen, die noch nicht mindestens teilweise bebaut oder erschlossen wurden, daher bleibt abzuwarten, wie sich der Wohnungsmarkt in Hanau durch die hessische Investition entwickeln kann.
Für die meisten teilnehmenden Kommunen ist jedoch klar, die Initiative des großen Frankfurter Bogens kommt eher zu spät als zu früh. Mit den bisher bewilligten Geldern werden allerdings in den allermeisten Kommunen erst einmal nur Studien und Modelle in Auftrag gegeben, bevor auch nur eine neue Wohnung entsteht. Diesmal und da sind sich alle beteiligten Bürgermeister und Stadträte einig, wolle man in der eigenen Gemeinde mit Weitsicht Bauen und den Wohnungsmarkt langfristig entlasten. Eine erneute Wohnungsbauentwicklung mit Block Charakter wie in den 80ern und 90ern in der Gemeinde Dietzenbach wolle man unter allen Umständen verhindern.
Nachhaltig, Langfristig und bezahlbar sollen die neuen Eckpfeiler des modernen Wohnungsbau in Hessen werden. Ob die Investition des Landes jedoch schnell genug diese Eckpfeiler auch praktikabel in die Kommunen tragen kann, wird sich erst mit den nächsten Jahren zeigen. Eine schnelle Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist damit erst einmal nicht in Sicht.