Deutschland - Aus der Traum vom schnellen Geld mit Kryptocoins, Wee-Tokens und einem Cash-Back-System, das Paypal und Co. überflüssig machen sollte. Rund 130 Millionen Euro steckten Investoren in das Wee-System des Unternehmers Cengiz Ehliz, jetzt soll alles weg sein. Die von Ehliz geschaffene Kryptowährung ist inzwischen praktisch wertlos. Wer sein Erspartes in die Kryptowährung investiert hat, steht jetzt vor dem Aus. Alleine dem bayerischen Finanzamt schuldet das Unternehmen hinter Wee ganze 1,4 Millionen Euro. Inzwischen ermittelt gegen Ehliz und sein Unternehmen die Staatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Auch der RODGAUER MORGEN verfolgte die Wee-Betrugsmaschen rund um den selbst ernannten Visionär Cengiz Ehliz bereits seit Langem. Trotzdem dauerte es Jahre, bis die Staatsanwaltschaft München aktiv wurde. Für die geprellten Investoren wohl bereits zu spät. Wie konnten so viele Warnlichter übersehen werden?
Der heiße Draht zur CSU
Wichtig für Wee und seinen Gründer war immer der Schein. Vermeintlich erfolgreich wirken, um mehr und mehr Kleinanleger und Investoren für das Cashback-System und die daran gekoppelte Kryptowährung zu generieren. Zum Image des erfolgreichen Unternehmers trug vor allem die CSU in Bayern bei. Beim 12. Schwarz-Weiß-Ball der CSU im Paulaner am Nockherberg erhielt der gebürtige Bad Tölzer Cengiz Ehliz, die Auszeichnung zum „Unternehmer des Jahres 2018 in München“, für sein Cashback-System „Wee“. Niemand Geringeres als der Ministerpräsidenten von Bayern, Markus Söder, unterschrieb die Urkunde für den Unternehmer des Jahres. Eine Auszeichnung, mit der der Unternehmer auf sozialen Medien und öffentlichen Auftritten nur zu gerne auf Investorenfang ging. Immerhin, die CSU würde ja sicher keinen Betrüger auszeichnen, richtig? Doch auch mit Promis umgab sich Ehliz gerne. Fußballer wie Luis Figo, Boxweltmeister Arthur Abraham und Schauspieler Til Schweiger veröffentlichten gemeinsame Fotos mit Ehliz auf ihren Social Media Accounts und Ehliz eigener Internetseite. So entstand nach und nach der Eindruck, dass es sich bei dem Visionär Ehliz tatsächlich um einen integeren Unternehmer handeln könnte. Ein Eindruck, der allerdings schnell zu bröckeln begann, sobald man sich die Geschäftszahlen von Wee und der daran gekoppelten Kryptowährung ansah.
Große Vision und ein Sturz ins Bodenlose
Cengiz Ehliz wäre nicht der Visionär, für den er sich hält, ohne eine ebensolche Vision, die er verkaufen kann. So behauptete Ehliz mit Wee stehts neue Umsatzrekorde gebrochen zu haben. Ganze 50 Millionen Euro Umsatz soll das Unternehmen laut eigener Aussage 2016 erwirtschaftet haben. In über 100 europäischen Städten sei das Wee-Casback-System bereits 2017 zum defacto ‘Standard’ des Bargeldlosen Zahlens geworden. „Wir werden in zehn Jahren Apple oder Daimler des Mobile Payment sein.“ Tönte Ehliz damals äußerst breitspurig. Was Ehliz besonders gut konnte, tat er auch, er drehte ordentlich an der Werbetrommel und ließ Wee als Hauptsponsor bei den Tölzer Löwen einsteigen. Geld von ihrem Sponsor sahen die Tölzer Löwen jedoch nicht und wie angekündigt lief in den Stadien das Wee-Bezahlsystem auch nie. Schließlich trennten sich die Tölzer Löwen nach internen Streitigkeiten von ihrem Hauptsponsor Wee. (Link)
Krypto, Token und viel heiße Luft
2020 dann der große Kryptohype. Auch hier witterte Ehliz wieder eine gut vermarktbare, aber auch wertlose Idee: Die Geburt der Wee-Kryptowährund, des sogenannten ‘WeeMarketAccessToken’. Wir berichteten bereits 2021 (Link) über den Verfall des ‘WeeMarketAccessToken’ in die faktische Wertlosigkeit. Für Ehliz und seine Partner jedoch kein Grund, Anleger und Investoren auf diesen rapiden Wertverfall aufmerksam zu machen. Im Gegenteil wirft die Münchner Staatsanwaltschaft dem Unternehmer vor, Risiken verschwiegen und den rapiden Wertverlust des ‘WeeMarketAccessToken’ schöngeredet zu haben. Denn obwohl die Wände für Ehliz und sein Unternehmen immer näher kamen, hielt dieser in Hotels und auf Kaffeefahrten weiterhin Reden vor potenziellen Investoren und sammelte fleißig das Ersparte der Anwesenden ein. So gelang es den meist älteren Investoren, die ihr Erspartes gewinnbringend anlegen wollten, ganze 130 Millionen Euro aus der Tasche zu ziehen. Geld, das die Investoren höchstwahrscheinlich nie wieder sehen werden.
Insolvenz: Wo ist das Geld?
Am 10. Dezember 2020 stellte die Wee-Business GmbH schließlich einen Insolvenzantrag. Bereits ein Jahr später ging auch die Holding Swiss Fintec Invest AG in die Insolvenz. In dieser Gesellschaft lagen die einst börsennotierten Aktien, von denen gut 50 Millionen Stück an 3500 Wee-Partner und Investoren verkauft worden waren. Zahlen aus dem Unternehmen zeigen, dass von den angeblichen 21.513 Händlern, die das Wee-Bezahlsystem nutzen, über 21.000 inaktiv oder nie Mitglied des Bezahlsystems waren. Nur etwas mehr als 500 Händler in ganz Europa besaßen tatsächlich einen funktionierenden Anschluss an das Wee-Bezahlsystem. War der Rest der tateilnehmenden Händler frei erfunden?
Im Juni 2021 schrieb der Insolvenzverwalter der Wee-Business GmbH Max Liebig: „Der Schuldnerin gelang es von Beginn an nicht, kostendeckend zu wirtschaften, obwohl sie steigende Umsätze vorweisen konnte.“ Auch viele Rechnungen und Zahlungen des Unternehmens warfen beim Insolvenzverwalter Fragezeichen auf. Verträge und Nachweise, auf deren Basis Leistungen in der Wee-Gruppe erfolgt seien, habe er nicht finden können, schrieb Liebig. Anscheinend war es Standard im Unternehmen, „dass Rechnungen stets bezahlt wurden, wenn Geld in der Gruppe vorhanden war, ohne dass die jeweiligen Zahlungen konkret einer Leistung zuzuschlüsseln gewesen wären“. Solche Zahlungen ohne Leistungen sind meistens ein Anzeichen für Untreue, einer der Gründe, warum die Münchner Staatsanwaltschaft jetzt gegen Wee, Cengiz Ehliz und seine Partner ermittelt. Der Insolvenzverwalter hält fest, „dass die Vergangenheit der Schuldner jedenfalls kaum geprägt gewesen sein dürfte von kaufmännisch sinnvollem Agieren der jeweiligen Geschäftsführungen“.
Die vehemente Unschuld des Visionärs
Schuld an all dem seien die anderen, so Ehliz. Seine Partner, Corona, die Wirtschaftskrise und ominöse ‘Feinde’ des Unternehmers seien die eigentlichen Ursachen für das Scheitern. „Unternehmer, Visionär, Gründer der weeCONOMY Group“, steht auch heute noch ganz oben auf Ehliz persönlicher Webseite. Jetzt behauptet Ehliz jedoch nie wirklich am Steuer gesessen zu haben. Auch bestreitet er bei Auftritten vor möglichen Investoren der Wee-Token und die Kryptowährung jemals verkauft oder angepriesen zu haben. Ehliz habe laut eigener Aussage den Geschäftsführerposten nur „notgedrungen“ übernommen, weil die Firma keinen anderen Geschäftsführer habe finden können. Eine Darstellung, die von den Fakten und der Realität nicht gestützt wird. Das Nachrichtenportal Handelsblatt konnte aus firmeninterne „Kompetenzregelungen“ für die Münchener Filiale herauslesen, dass Ehliz jede Überweisung von mehr als 3000 Euro persönlich freigegeben hat. Auch die Struktur der Wee-Gruppe belegt, dass bei ihm alles zusammenlief. Das Firmengeflecht ist kompliziert, doch Organisationscharts zeigen: An der Spitze der Gruppe stand die CSC Switzerland AG, das Family-Office der Familie Ehliz. Insider von Wee schildern dem Handelsblatt zudem, dass Ehliz mehr als 570.000 Euro von einer Firmenkreditkarte der Wee-Business GmbH ausgegeben haben soll. Mit diesen „verdeckten Gewinnausschüttungen“ habe er auch eine Waschmaschine, Friseurbesuche und Flugtickets finanziert, heißt es.
Mit rund 60 Millionen Euro seien die Wee-Aktien einmal gelistet gewesen. Heute sind sie wertlos. Auch Ehliz selber habe Geld verloren, behauptet er. Seine Anfangsinvestition von 1,2 Millionen Euro in sein eigenes Unternehmen seien ebenfalls verloren gegangen. Weder die Anleger noch die deutschen Ermittlungsbehörden werden sich mit dieser Erklärung wohl begnügen. Sie wollen wissen, was aus den vielen Millionen geworden ist, die eingesammelt und angeblich investiert wurden.
Keine Reue und ein lautes weiter so
Für die Investoren seines Unternehmens, die alles verloren haben, hat Ehliz auch ein paar aufmunternde Worte: „Saublöd gelaufen. Tut mir echt leid. Kann man nicht ändern.“ Für Ehliz selber bedeutet das weitermachen! Er arbeitet bereits an der nächsten bahnbrechenden Vision, die er in Webinaren als „virtuellen Store auf dem Smartphone“ und „begehbares Internet“ anpreist. Die nächste Firma, in der Ehliz die Fäden zieht, heißt Storexx. Und wer sich das Unternehmen Storexx genauer anschaut, erkennt ein weiteres Wee-Bezahlsystem. Erneut wirbt Ehliz bei Investoren und prangert seine Idee als Internet-Revolution an. Erneut sollen Händler an ein digitales Bezahlsystem angeschlossen werden und erneut sollen erst Europa und dann die ganze Welt erobert werden.
Es liest sich wie ein schlechter Scherz, wenn man in den Präsentationen und Vorträgen der neuen Ehliz-Vision Storexx die gleichen Schlagwörter wie beim insolventen Wee-Unternehmen sieht. Und all das hat System. In seiner Präsentation für Storexx beschreibt Ehliz ein klassisches Multi-Level-Marketing-System (Pyramidensystem). Den Vertrieblern winken Karrierestufen, Provisionen und Boni. Üblicherweise profitieren bei solchen System vor allem die Personen, die in der Pyramide ganz oben stehen, wie Ehliz selbst. Wer darunter ist, also die Investoren und Händler, zahlen üblicherweise die Rechnungen. Ob Ehliz und seine Partner nun wegen Betruges ins Gefängnis muß, wird sich zeigen. Investoren und Kleinanlegern bleibt nur zu hoffen, dass noch wenigstens etwas von ihrem Geld eingetrieben werden kann. In eine weitere ‘Vision’ von Cengiz Ehliz würde keiner der geprellten Wee-Investoren wohl jemals wieder Geld stecken.